Das ärztliche Honorar

Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ist die verbindliche Richtschnur, nach der sich das ärztliche Honorar bemisst. Ärztinnen und Ärzte können sich Dank der GOÄ darauf verlassen, ein angemessenes Honorar für ihre Leistungen zu erhalten. Sie gibt ihnen die ökonomische Planungsbasis für den Erhalt und den Betrieb der Praxis, aber auch für Investitionen in den medizinischen Fortschritt.

Patientinnen und Patienten wiederum erhalten mit der Rechnung auf Grundlage der GOÄ eine transparente und rechtssichere Darstellung dessen, was an Leistungen in Anspruch genommen wurde und welche Kosten damit verbunden sind. Sie können dabei sicher sein, nicht übervorteilt oder finanziell überfordert zu werden. Sie müssen nur das bezahlen, was in einem komplexen Verfahren als angemessener Rahmen festgelegt wurde. In diesem Verständnis leistet die GOÄ einen wichtigen Beitrag zum Verbraucherschutz.

Die Gebührenordnung ist auch ein wesentlicher Ausdruck der Freiberuflichkeit des Arztes, da sie das Honorar nicht im Detail festlegt, sondern lediglich Ober- und Untergrenzen bestimmt, in welchen einzelne Leistungen zu honorieren sind. Diese Grundphilosophie der Gebührenordnung folgt damit der Einsicht, dass sich ärztliches Handeln staatlicher Steuerung entziehen muss, wo es um die professionelle Berufsausübung geht. Dies erfordert ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheiten und Selbstorganisation, unterstreicht aber auch die hohe Verantwortung des Arztberufes, nicht nur in Bezug auf das medizinische Handeln an sich, sondern auch im Hinblick auf dessen Stellung im gesellschaftlichen Kontext als Teil der Daseinsvorsorge.

Damit ist das Ideal einer modernen, dem medizinischen Stand der Möglichkeiten entsprechenden Gebührenordnung für Ärzte beschrieben, die der Realität der Gegenwart leider nicht mehr entspricht. Denn anstatt sich analog zum medizinischen Fortschritt zu entwickeln und diesen im Tarifwerk abzubilden, verharrt die GOÄ auf einem Stand von 1982. Seit dem 1. April 1982 wurde die GOÄ lediglich teilnovelliert und ist im Kern als GOÄ von 1996 zu einem eher historischen Dokument geworden.

Die Folge dessen ist Unsicherheit und Intransparenz. Denn durch das Entkoppeln der GOÄ von dem medizinischen Fortschritt sucht man zahlreiche Leistungen, welche in diesem Jahrhundert neu entwickelt wurden und segensreich eingesetzt werden, in der aktuell gültigen GOÄ vergeblich. Damit ist man unweigerlich gezwungen, auf die Möglichkeit der sogenannten analogen Abrechnung zurückzugreifen. Das bedeutet, dass eine ärztliche Leistung, die nicht explizit in der GOÄ aufgeführt ist, nach einer vergleichbaren Leistung analog abgerechnet werden kann. Dabei muss die ausgewählte Leistung in ihrer Art, Schwierigkeit und Dauer der erbrachten Leistung entsprechen. Genau diese Anforderungen, welche natürlich auch im Sinne des Patientenschutzes vollkommen berechtigt sind, sind es, die Ärztinnen und Ärzte wie auch Patientinnen und Patienten verunsichert. Denn sie müssen sich zunächst durch einen vermeintlich undurchdringlichen Dschungel aus Abrechnungsempfehlungen kämpfen, um anschließend zu hoffen, dass die Empfehlungen, denen sie folgen, rechtssicher sind. Parallel verhindert eine Analogabrechnung in letzter Konsequenz eine transparente Rechnungslegung für die Patientinnen und Patienten, da diese die Vergleichbarkeit von verschiedenen ärztlichen Leistungen selbst nicht überprüfen können. Diese Kombination aus Unsicherheit und Intransparenz schürt ein Konfliktpotenzial zwischen der Ärzteschaft und den Patientinnen und Patienten und belastet damit das Arzt-Patienten-Verhältnis.

Eine überalterte GOÄ gefährdet auch die ökonomische Planungsbasis der Ärztinnen und Ärzte. Denn ihre Honorare sind seit der Teilnovellierung im Jahr 1996 konstant geblieben. Dies kommt den Patientinnen und Patienten zwar zugute, doch bedroht dies zunehmend die flächendeckende medizinische Versorgung. Denn die Ärztinnen und Ärzte stehen bei einer Honorarsteigerung pro Einzelleistung von 0 % einer kumulierten Inflationsrate von mindestens 61 % im gleichen Zeitraum gegenüber. Gleichzeitig stieg von 1996 bis 2020 der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst für Vollbeschäftigte laut Statistischem Bundesamt um 59 %. Bei einem gleichbleibenden Honorar für ärztliche Leistungen sind also die ökonomischen Kosten für das Betreiben einer Praxis um mehr als die Hälfte gestiegen. Dabei ist das ärztliche Honorar nicht nur der einfache Stundenlohn des Arztes, sondern die Grundlage für den Erhalt einer Praxis, für Innovation in neue medizinische Behandlungen und Diagnoseverfahren und für Innovationen in die Modernisierung der eigenen Praxis. Dieser Schlüsselrolle für eine flächendeckende und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung muss die Vergütung der ärztlichen Leistungen wieder gerecht werden.

Es ist somit eine dringende Notwendigkeit und Anliegen der PVS, dass die Gebührenordnung für Ärzte novelliert wird. Es liegt im Interesse von Patientinnen und Patienten sowie von Ärztinnen und Ärzten, dass die GOÄ wieder den aktuellen Stand der medizinischen Forschung widerspiegelt. Denn nur so kann die GOÄ wieder ihre Rolle als Mittler zwischen Patienten und Arzt wahrnehmen und beiden Akteuren Berechenbarkeit und Transparenz garantieren.